TÜV-Verband

Rolle der Verbände im politischen Willensbildungsprozess

Sitzung eines Bundestagsausschusses im Paul-Löbe-Haus (Bild: (C) Deutscher Bundestag)
Der Bundestagsausschuss für für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz während einer Sitzung im Paul-Löbe-Haus. Bild: (c) Deutscher Bundestag / Siegfried Büker

Der Begriff „Verband“ ist im Verfassungsrecht nicht definiert, trotzdem ist er rechtlich verankert. In modernen Demokratien ist die besondere Rolle der organisierten Zivilgesellschaft eng verbunden mit Artikel 12 der EU-Grundrechtscharta, in dem das Bürgerrecht verankert ist, Vereinigungen bilden zu können, um ein gemeinsames Ziel zu verfolgen. Unter Ausschöpfung des Grundrechts der Vereinigungsfreiheit sind Verbände bestrebt, mit interessenbezogener Zielorientierung auf relevante Gestaltungs- und Entscheidungsprozesse im politisch-gesellschaftlichen Raum Einfluss zu nehmen. Die Mitwirkung der Interessensgruppen in der Politik wird durch die sogenannte Pluralismustheorie beschrieben, wonach die Gesellschaft die Ansammlung einer Vielzahl autonomer und heterogener Interessen ist. Parteien und Verbände werden dabei als wesentliche Organisationsformen angesehen, die im Wettbewerb miteinander um gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Einfluss ringen. Die Bedeutung von Verbänden für ein politisches System liegt vorrangig in der Repräsentation gesellschaftlicher Vielfalt. Sie stellen einen wichtigen Aspekt der Volkssouveränität dar und bilden als Akteure eine unverzichtbare Schnittstelle zwischen Staat und Gesellschaft. „In einem demokratischen System hat Lobbyarbeit durchaus ihre Berechtigung“, so auch die prägnante Aussage der EU-Kommission im Grünbuch „Europäische Transparenzinitiative“.

Auf nationaler Ebene ergibt sich die Legitimation der Verbandsorganisation zunächst implizit aus Art. 9 Abs. 1 Grundgesetz (GG), dem Recht zur Bildung von Vereinen. Art. 9 Abs. 3 GG gewährt speziell „das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden“. Weiterhin wird durch Art. 5 GG das Recht auf freie Meinungsäußerung und damit zugleich auch die Artikulation von Verbandspositionen abgesichert. Eine zentrale Grundlage für die Einbindung der Verbände in den Legislativprozess liefert § 24 der gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO BM). Diese Regelung besagt, dass bei der Vorbereitung von Gesetzen die Verbände unterrichtet und um Überlassung von Unterlagen gebeten werden sowie Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten können. Des Weiteren hat laut § 44 Abs. 4 GGO BM das fachlich zuständige Bundesministerium für einen Gesetzesentwurf von den beteiligten Fachkreisen, den Verbänden und der mittelständischen Wirtschaft Stellungnahmen einzuholen. Zudem ist nach § 47 GGO BM der Entwurf einer Gesetzesvorlage den Zentral- und Gesamtverbänden sowie den Fachkreisen möglichst frühzeitig zuzuleiten, sofern ihre Belange berührt sind.

Die Verbandsarbeit erschöpft sich somit keineswegs in der Interessenvertretung. Parallel geht es im kooperativen Zusammenwirken zwischen Verbänden und politischen Entscheidungsträgern auch um die Bereitstellung verlässlicher fachlicher Informationen mit entsprechend abgesichertem Praxisbezug. Auf dieser Linie stellte auch die EU-Kommission bereits in ihrer Mitteilung „Hin zu einer verstärkten Kultur der Konsultation und des Dialogs“ zutreffend fest: „Umfassende Anhörungen helfen zu gewährleisten, dass die der Legislative vorgelegten Vorschläge solide sind. Eine vernünftige Konsultation dient gleichzeitig der Qualität der Politik und der Einbindung der betroffenen Parteien.“ Die präzisen fachlichen Expertisen der Verbände gewährleisten, dass vor allem den Belangen der Politikbetroffenen hinreichend Rechnung getragen wird. Beide Seiten profitieren von diesem wechselseitigen Austauschverhältnis: Die politischen Entscheidungsträger erhalten detaillierte und strukturierte Informationen für die technisch gute Rechtsetzung bei komplexen Regelungsmaterien und die Verbände profitieren durch die damit verbundenen Möglichkeiten der Einflussnahme.

Interessensvertretung und Informationsbereitstellung bilden die Kernelemente partizipativer Demokratie, das heißt der unmittelbaren demokratischen
Beteiligung der Zivilgesellschaft an politischen Entscheidungsprozessen. Die von den Verbänden wahrgenommenen Aufgaben ermöglichen über den Wahlakt hinaus eine weitere prinzipielle Beteiligung des Volkes an der politischen Willensbildung, wodurch wiederum das politische Bewusstsein der Betroffenen sensibilisiert wird. Zugleich erfolgt eine Stützung des Demokratiegedankens, indem die Tradition, politische Entscheidungen in größtmöglichem gesellschaftlichen Einvernehmen zu treffen, gefestigt wird. Diese Faktoren tragen gemeinsam entscheidend zur Rückkopplung, Funktionsfähigkeit und Stabilität des politischen Systems bei.

Die Prozessabläufe der Verbandsarbeit sind äußerst vielfältig und reichen von der Information und Koordination über die Vertretung bis hin zu Allianzleistungen. Verbandsvertreter verfügen über vielfältige Informationskanäle und können als Radarposten aufgrund ihres individuellen Erfahrungsschatzes wichtige Themen und kritische Punkte gezielt aus der Informationsflut herausfiltern, um elementare Informationen rechtzeitig verbandsintern zu kommunizieren. Im Rahmen der Koordination obliegt dem Verband die Moderation des Interessenspektrums sowie die Aggregation klar bestimmbarer, realistisch durchsetzbarer Kernpositionen, um im Außenauftritt ein einheitliches und tragfähiges Meinungsbild aufzuweisen. Die anschließende Kommunikation spezifischer Verbandspositionen nach außen, beispielsweise gegenüber Ministerien, Parlamenten oder Medienvertretern, bezeichnet man als Repräsentanzleistung. Die Mitglieder des Verbandes profitieren hierbei vor allem von den langjährig gewachsenen, individuell gepflegten Netzwerken ihrer Verbandsmitarbeiter, denen politische Entscheidungsprozesse und Abläufe von Legislativvorhaben bestens vertraut sind. Häufig übernehmen Verbände im Zuge der Interessensvertretung auch die Organisation verbandsübergreifender Bündnisse. Hierbei sind insbesondere die Schulterschlüsse mit europäischen Dachverbänden von wachsender Bedeutung.

Verbände bündeln die Interessen ihrer Mitglieder zur Erreichung gemeinsamer Ziel- oder Wertvorstellungen. Zugewiesene Aufgaben, die sonst dezentral und multiparallel durch jedes Mitglied selbst wahrgenommen werden müssten, können im Verband effizient realisiert werden. Verbände rationalisieren daher Entscheidungsabläufe, bündeln Ressourcen und senken damit letztlich Kosten. Außerdem werden Verbandspositionen in der Öffentlichkeit und bei den Entscheidungsträgern wesentlich stärker wahrgenommen als isolierte Stimmen einzelner Wirtschaftsakteure. Verbände verbessern also Chancen, indem sie mit ihrer aus Rückkopplung und Komprimierung erwachsenden Repräsentativität
über singuläre Meinungsbilder hinausgehen.

Abschließend noch ein Blick auf die Rolle des VdTÜV: Durch die satzungsgemäßen Verbandsaktivitäten werden essentielle Werte wie technische Sicherheit, Qualität, Wirtschaftlichkeit sowie Verbraucher- und Umweltschutz im rechtlichen Ordnungsrahmen nachhaltig verankert. Zugleich leistet der Verband hiermit einen in hohem Maße wertschöpfenden Beitrag für die Gesellschaft und das Gemeinwohl. Aufgrund umfangreicher Kontaktnetzwerke können Verbandspositionen auf allen relevanten
Entscheidungsebenen kommuniziert werden. Im Kern verfolgt der VdTÜV mit seinen vielfältigen Aktivitäten die Schaffung angemessener regulativer Rahmenbedingungen für die Verbandsmitglieder, denn das legislative Umfeld ist für den Rentabilitätsgrad operativer Geschäftstätigkeiten mit Blick auf die Parameter Marktvolumen, Kosten- und Ressourceneffizienz letztlich ein ausschlaggebender Faktor. Der VdTÜV ist für seine Mitglieder ein partnerschaftlicher Fürsprecher, der Kompetenz, Verantwortungsbereitschaft, Vertrauen und Loyalität miteinander verbindet. Der aus der Verbandstätigkeit resultierende Mehrwert ist für den wirtschaftlichen Erfolg der Mitglieder, aber auch für die sicherheitsrelevanten Belange der gesamten Gesellschaft und den technischen Fortschritt unabdingbar.

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